Hier eine erste, naturgemäß noch nicht stabile, Einschätzung der Ereignisse in türkisistan sowie des Kontexts und abzuschätzender Folgen.

Zunächst mal: Der Putsch scheint gescheitert zu sein.

Was ist vorgefallen: Informationen aus brauchbaren Nachrichtenquellen zufolge hat ein gewisser Oberst muharrem kose, der der gülen Bewegung zuzurechnen ist, der einen "Friedensrat" betrieben hat, einen Putschversuch mit dem Schwerpunkt Ankara unternommen.
Hierbei wurde wohl frühzeitig ein Fernsehsender eingenommen, was insofern wichtig ist, als damit erhebliche Unruhe ausgelöst und psychologische Kriegsführung betrieben werden kann. Auch ist diesem Umstand wohl die anfänglich wirre Berichtslage zu danken. Desweiteren wurden einige wichtige Brücken blockiert und es wurde wohl auch versucht, den Präsidentenpalast sowie das parlament zu stürmen. Unter anderem soll es dabei auch zu Beschuss durch einen Militär-Hubschrauber gekommen sein; allerdings wurde der Hubschrauber wohl recht umgehend von einem Militärjet abgeschossen.

Soweit nahvollziehbar ist der Putschversuch abgewendet und gescheitert. Erste Festnahmeserien sind erfolgt.

Nun zu der wohl alle beschäftigenden Frage des Kontexts und des "Warum?":

Zunächst mal ist warnend vorauszuschicken, dass das Folgende nur meine Gedanken und erste Einschätzungen sind und das ja auf einer noch dürftigen Nachrichtengrundlage und ziemlich frühzeitig. Was ich hier schreibe, kann also auch schwer danebenliegen.

Das erste, was mir auffiel war, dass erdogan sich sofort ans Volk wandte und die Menschen aufforderte, auf die Straßen zu gehen und sich gegen den Putsch zu wenden. Das zeigt sehr deutlich, dass erdogan deutlich mehr auf das Volk setzt - und offenkundig setzen kann - als aufs Militär.
Erstaunlicherweise hat das Militär sich aber nicht gegen ihn gewendet. Erstaunlich deshalb, weil er das Militär sehr beschnitten, kastriert und teilweise auch gedemütigt hat. Die meisten Einheiten blieben jedoch neutral (oder abwartend) und die eine oder andere hat die Regierung auch verteidigt.

Natürlich dürften ziemlich viele als ersten Verdächtigen die amis im Auge haben. Damit lägen sie insofern auch gar nicht falsch, als die gülen Bewegung, die zumindest teilweise mit dem Putschversuch zu tun hatte, ja eine klar von den usppa ("united states of a part of a part of america". Korrekte Bezeichnung für das, was sich großmäulig, verlogen und völlig falsch selbst "usa" nennt) gestützte und gesteuerte ist.
Allerdings gibt es heute keine usppa mehr, bzw. nur noch als Hülle. Tatsächlich gibt es zwei Hauptfraktionen, die sich spinnefeind sind und erbittert bekämpfen. Eine davon, die ziocons, zu denen auch zumindest weite Teile der cia gehören, ist auch als Verdächtiger beim Putsch zu benennen, da sie die wesentliche Kraft hinter der gülen Bewegung ist.

Auch scheidet die offizielle usppa, zu der zumindest weite Teile des pentagon gehören, als Verdächtiger aus, weil es zu professionell und klug ist; dass man mit einem Obristen, einer eher kleinen Einheit und einem ziemlich obskuren "Friedensrat" als Deckmäntelchen nicht weit kommt in Ankara, wäre pentagon Leuten klar. Ausserdem wollen die Ruhe im Land, um ungestört incirlik und andere Basen nutzen zu können.

Für ziocons, gülen, devutoglu als Schuldige spricht auch, dass erdogan gerade im Begriff war, (aus deren Sicht) eine Todsünde zu begehen und, man höre und staune, ihre gesamte globale Agenda empfindlich zu stören. Diese Leute brauchen und wollen weiterhin und mehr Konfrontation und Krieg im Nahen Osten, insbesondere in Syrien, aber erdogan und sein neuer Premier spielten nicht nur nicht mehr zuverlässig mit, sondern verhielten sich zunehmend ähnlich wie ihr Militär beim Putschversuch, nämlich neutral, abwartend, teilweise auch tendenziell konstruktiv.

Es kommt noch schlimmer. Mit einer Türkei, die zumindest wohlwollend neutral gegenüber Russland ist, hätten die ziocons nach der Niederlage des Übernahmeversuchs von Sewastopol gleich noch eine zweite strategische Niederlage einzustecken; damit nämlich wäre der problemlose Zugang der russischen Schwarzmeerflotte sichergestellt und mithin die ami Vorherrschaft im Mittelmeer und im Nahen Osten aufgebrochen.

Aber es gibt noch einen Spieler auf dem Feld, auch wenn dieser weithin unbeachtet oder gar belächelt ist: Die eu, insbesondere deutschland, das ja bereits in kiew seine Bereitschaft zu äusserst blutigem und äusserst illegalem Handeln demonstriert hat.
Man bedenke, dass merkels Zukunft und damit die Zukunft der wesentlichsten Marionette der ziocons in eu-ropa, zu erheblichen Teilen in erdogans Händen liegt. Und man bedenke, dass sie erdogan sehr übel mitgespielt und so einiges bewusst über ihren ziocon Kumpel davutoglu gespielt hat.
Wenn erdogan Nein zu ihren "flüchtlings" Plänen sagt, dann hat eu-ropa mit einer doppelten Welle von "flüchtlingen" zu rechnen (aus dem Nahen Osten und aus Afrika. Das aber ist eine der beiden Bedrohugen eu-ropas, die merkel offenen Aufstand in der eu und mithin den Kopf kosten kann. Es liegt nun für so einige eu-ropäische Staaten nahe, sich freundlich zu erdogan und feindlich gegen merkel zu stellen.

Und es gibt noch einen Faktor: Nicht nur ist "deutschland", sprich merkel, ja offiziell zum Blockwart der amis in eu-ropa ernannt worden, sondern einen Brand in ankara zu legen, ist derart heikel und gefährlich, dass selbst die cia das wohl lieber über Bande spielt; so kann man im schlimmsten Fall merkel als Böse opfern und "unschuldig" dastehen. Immerhin ist ankara von globaler strategischer Bedeutung für die nato. Auch ist die türkei nicht mit deutschland zu vergleichen; müsste eine merkel gehen, so würde wie bei einem Hai ein neuer Zahn einfach eine andere willfährige Marionette nachrücken; nicht so erfahren, verschlagen und bösartig wie merkel, aber allemal ausreichend, um die deutsche Kolonie eisern im Griff zu behalten. In der türkei sieht es ganz anders aus. erdogan hat weite Teile des Volkes hinter sich (was er weiss und auch gleich demonstrierte beim Putsch) und, wie wir spätestens seit heute Nacht wissen, die Zügel recht fest im Griff. Kurz, man würde und könnte eher merkel als die türkei opfern.

Abschließend noch eine Anmerkung: So ein Putsch funktioniert ganz erheblich anders als das in westlichen Filmen gezeigt wird. Da gibt es keine kleine, eng verschworene und äusserst geheime Gruppe; die hätte gar nicht die nötigen Muskeln. In der Realität müssen da Gespräche geführt und Positionen anderer Offiziere und Einheiten abgeklärt und Verbündete gesucht werden. Kurz, wirklich komplett überraschend war das nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass da der eine oder andere Offizier geplaudert hat, und sei es nur aus egoistischem Kalkül, ist sehr hoch. Auch tragen Putschversuche mit Militär immer das Problem in sich, dass Militär praktisch immer eine Gemeinschaft ist, die ganz eigene Regeln hat, geschriebene und ungeschriebene. Eine davon führt z.B. dazu, dass sich einem Oberst einer gewöhnlichen Einheit sehr viele Türen in der Hauptstadt nicht öffnen. In Filmen, besonders us-amerikanischen, mag es ja toll aussehen, wenn da ein Oberst zackig überall durchmarschiert und keine Wache es wagt, ihm den Zugang zu verwehren; im realen Leben allerdings braucht man dazu mindestens 2 Sterne, eher 3.

Erstaunlich auch - oder eben nicht - dass der Hubschrauber, der den Präsidenten Palast beschoss, ziemlich umgehend von einem Militärjet abgeschossen wurde. Aus zwei Gründen: Erstens stehen Militärjets nicht betankt und voll bewaffnet herum; Die Waffen für und an einen Militärjet zu kriegen ist in Friedenszeiten in so ziemlich jedem Militär ein bürokratischer Hürdenlauf, der aufwendig und nach genauer Choreographie erfolgen muss - was garantiert länger als 10 oder 20 Minuten dauert. Das bedeutet übrigens auch, dass die Bewaffnung und Munitionsbeschaffung für den Putsch-Helikopter verräterisch und gefährlich war und der Staatssicherheit sehr kraftvolle Hinweise gibt. Zum anderen steigen höchstens in ami Filmen binnen Minuten Militärjets auf und ballern einen Angreifer über der Hauptstadt einfach weg. Im realen Militär sind da ganze Befehlsketten involviert und in Friedenszeiten erst recht. Zudem muss es auch eine Kohärenz beim Militär gegeben haben, denn in und um Hauptstädte herum pflegen Luftabwehreinheiten stationiert zu sein, die sehr sensibel auf Militärflugzeuge reagieren.

Vor allem aber: Aha. Der türkische Präsidentenpalast, für den nichts gut genug und nichts zu teuer war und der auf einem riesigen Areal steht, hat also keine Luftabwehr? Sehr erstaunlich. Immerhin reden wir da nicht von S-400 sondern von etwas wie Pantsir, von Kleinzeug, das sich diskret und relativ billig bereit halten lässt. Sehr erstaunlich. Denn *das* ist der wirklich relevante Brocken bei der "Militärjet schießt Hubschrauber ab" Meldung. Und die Möglichkeit, dass im Prädidentenpalast selbst illoyale Truppen installiert waren, darf man wohl ausschließen.

Will heissen: So einiges spricht dafür, dass erdogan keineswegs überrascht war. Es mag zynisch klingen, aber erdogan gehört zu den größten Profiteuren des Putschversuchs. Und noch etwas ist wichtig: Der Mann hat jetzt so um die 24 bis 48 Stunden "Narrenfreiheit"; in diesen Stunden kann er so ziemlich alles beschließen.

Welche Folgen wird der Putschversuch haben, welche Verschiebungen wird es geben? Dazu könnte man halbwegs brauchbare Vermutungen anstellen; die z.B. dass erdogan nun wohl endgültig kapiert haben dürfte, dass die usppa garantiert kein Freund sind und dass er mit einer Entwicklung Richtung Neutralität, inklusive zumindest mittelfristigem Ausstieg aus der nato bei weitem besser führe. Nur: Um sich nun ergebende Änderungen sinnvoll einschätzen zu können, braucht man noch einiges mehr an Datenpunkten. Der Pudding ist einfach noch zu heiss; ehe man da seriöse Vermutungen anstellt, wartet man sinnvollerweise ab, bis er etwas abgekühlt ist und eine Form annimmt.

Warten wir also auf Teil 2 und die Auswertung.











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