Ich weiss noch gut, wie ich schon vor 25 Jahren ein paar Dinge begriffen hatte und in folgendes Gleichnis verpackte:
Eines Tages saßen henschel, krupp, thyssen und noch einige andere Mega-Abzocker wie öfter mal in der fetten Villa beisammen, als sie wieder mal gestört wurden durch einen Boten. Dieser berichtete, dass es wieder mal Ärger mit einer Kohlengrube grab und dass die Arbeiter dort forderten, dass Kinder unter 12 nur 6 statt 7 Tage die Woche arbeiten sollten. Mehr noch, ein Betriebsarzt wurde auch gefordert angesichts der vielen Unfälle unter den extrem ungünstigen Arbeitsbedingungen.
Das war nicht lustig. Ein ganzer Tag Ausfall einer Kohlengrube! Dafür konnte man als Besitzer dieser Grube einmal im besten Restaurant der Stadt essen gehen oder seiner Frau eine hübsche Handtasche schenken. Das wollte man nicht mehr hinnehmen. Eine Lösung musste her, zumal sich aufsässiges Verhalten der Arbeiter in letzter Zeit häufte. Wenn es so weiterging, dann würde es nicht mehr lange dauern und das Arbeiterpack würde womöglich auch noch kostenlos Brot und Suppe dort unten verlangen.
Aber das Glück war den armen Fabrik- und Grubenbesitzern hold; von halske hatte da einen jungen Mann in seiner Firma, der sehr intelligent und erfindungsreich war. Vielleicht war es an der Zeit, dessen etwas wirr klingende Ideen doch mal zu überdenken. Schlimme Zeiten erfordern nun mal ungewöhnliche Mittel.
Die Sache hatte einen geradezu absurden Anfang. Eines Tages hatte die 4-jährige Tochter dieses jungen Mitarbeiters Rabatz gemacht, weil sie selbst aussuchen wollte, was man ihr anzog, statt einfach die Kleidung zu tragen, die die strenge Gouvernante für sie ausgesucht hatte. Das Schicksal hatte es gewollt, dass ihr junger Herr Vater aus gesundheitlichen Gründen an jenem Tage zuhause war und das ganze
Gezetere und Geheul mitbekam. Und so hatte er nachgesehen, was da los war und seine noch wütend bebende und heulende kleine Tochter erklärte ihm, dass die Gouvernante sie ganz hässlich anzog und sich kein bisschen darum scherte, nach welcher Bekleidung der jungen Dame der Sinn stand.
Dieses Problem war schnell gelöst. Der junge Vater tröstete seine kleine Tochter und versprach, sich etwas einfallen zu lassen. Abends besprach er dann mit seiner Frau, dass diese morgens selbst mit der Kleinen besprechen sollte, was diese anzog, statt das einfach der etwas grobschlächtigen Gouvernante zu überlassen.
Aber die Sache ging ihm nicht aus dem Kopf, zumal sie, ein übrigens erfreuliches, Nachspiel hatte. Seither war die Tochter nicht nur besser
gelaunt sondern auch gehorsamer. Lächelnd dachte er zurück an seine eigene Kindheit und es war ganz offensichtlich: Kinder hatten so ihre
eigenen Vorstellungen. Oft ging es um den Erwachsenen unwichtig Erscheinendes, den Kindern aber war es sehr wichtig. Übrigens auch, weil sie gewisse Freiheiten als glaubwürdige Anzeichen elterlicher Zuneigung wahrnahmen. Und natürlich gehorchte man als liebevoll
wahrgenommenen Eltern auch besser als lieblos, kühl und streng empfundenen.
Doch ein kleiner Funke fehlte noch. Allerdings nicht lange. Wenige Tage später war er beruflich etwas in Zeitdruck und holte sich nur zwei
belegte Brote beim Metzger statt wie üblich ins Kasino für höhere Angestellte essen zu gehen. Und da geschah es. Der vielleicht gerade
einmal 11 oder 12 Jahre alte Junge des Metzgers war mit im Geschäft und bediente ihn, während der Vater wohl hinten beschäftigt war. Eigentlich nicht sonderlich ungewöhnlich, aber der Junge stellte es wirklich geschickt an. „Für 2 Pfenning Gürkchen mit aufs Brot, der Herr? Haben wir selbst gezogen und eingelegt, der Herr, und das schmeckt wirklich sehr gut!“. Natürlich nahm unser junger Angestellter seine Brote mit Gürkchen.
„Wir“ dachte er auf dem Weg, „wir“. Seltsam. Der Junge hatte „wir“ gesagt. Und er hatte nicht einfach gehorsam aber unlaunig seine
Zwangsarbeit getan, sondern schien sie mit Freude zu tun. Er beschloss, am nächsten Tag wieder Brote zu kaufen.
„Ach, Junge“ fragte er diesen, „die Arbeit scheint Dir fast Freude zu machen?“. Der Bub antwortete, während er die Brote fertig machte, wie
selbstverständlich „Nun ja, der Herr, wir sind eine Metzger-Familie und da hat jeder seinen Platz. Ausserdem steckt mein Vater mir am Ende der Woche immer etwas zu, wenn ich fleissig gearbeitet habe und freundlich zur Kundschaft war“. Unser junger Mann lächelte versonnen und sagte „Mach doppelt Gürkchen drauf. Sie sind wirklich gut, eure Gürkchen“.
Eine Weile später hatte er dann in einer Sitzung der Führungskräfte, die wegen erneutem Ärger mit der Arbeiterschaft stattfand, seine
zunächst sehr absonderlich anmutende Idee vorgetragen. Er erklärte:
Ein Unternehmer ist wie ein Familienvater. Er kann seine ihm untergebenen „Kinder“ einfach wie Arbeitstiere behandeln oder er kann
sie wie ein wirklicher Vater behandeln. Und bitte, meine Herren, keine Sorge, ich bin nicht etwa im Stillen Aufrührer geworden. Ich habe nur
einmal ausgerechnet, welche Kosten und Ausfälle wir durch die ärgerlichen Vorfälle haben. Das sind in den letzten Jahren durchaus stattliche Summen.
Ich habe im Privaten festgestellt, dass Kinder auch gehorsamer und artiger sind, wenn man ihnen in einigen Dingen etwas entgegenkommt,
Dingen übrigens, die meist recht belanglos sind. Meine eigene Tochter zum Beispiel hat sich vom öfter mal garstigen Gör zu einem artigen
Mädchen entwickelt, seit ich ihr gestatte mitzubestimmen, welche Kleidung sie am jeweiligen Tag trägt. Natürlich in einem vernünftigen
Rahmen.
Mir scheint, auch wir taten gut daran, gewisse Potentiale auszuschöpfen, die im Wesen des Menschen zu liegen scheinen. Da ist noch so manches, was für geringen Einsatz gute Ergebnisse bringen könnte.
Würden wir z.B. den fleissigsten Arbeitern ein paar Pfennig mehr bezahlen, wenn sie besonders fleissig sind, so brächte uns das einen
hübschen Batzen. Wir würden ersten noch etwas groben Berechnungen zufolge auf einen Groschen, den wir ausgeben, fast eine halbe Mark an Mehreinkünften erzielen. Vielleicht noch wichtiger aber scheint mir, dass ein Arbeiter dann eine Wahl hat; er kann Ärger machen oder er kann arbeiten, wobei dann auch für ihn etwas heraus springt. Wenn wir das geschickt anstellen, dann werden diese Arbeiter jene Kollegen, die lieber Ärger machen, sogar selbst bekämpfen, so dass wir auch noch besser aussehen.
Und noch etwas sollten wir tun. Wir sollten Widerstand nicht wie bisher einfach ungeordnet geschehen lassen, sondern organsisieren. Wir sollten einen Arbeiterrat einführen; die Arbeiter sollten ein, zwei Leute aus den eigenen Reihen aussuchen, die ihre Interessen vortragen und vertreten.
Das war die Stelle, an der der alte Krupp den jungen Angestellten grob unterbrach und etwas von „Aufstand“ und „Krieg“ brummelte. In den
nicht ganz zwei Monaten seither hatte man weitere Tausende Mark verloren durch diversen Ärger durch unzufriedene Arbeiter. Nun durfte der junge Angestellte seine Gedanken weiterführen:
Ich meine sogar, dass wir selbst die Hälfte des Lohnes dieser Arbeitnehmervertreter zahlen sollten. Die Summen sind dabei verschwindend klein im Vergleich zu unseren Ausfällen. Aber es hat den gewaltigen Vorteil, dass die Arbeiter die andere Hälfte zahlen müssen.
Das sind nur Pfennige pro Arbeiter, aber mir scheint, die Summe ist nachrangig; entscheidend ist, dass die Arbeiter so eine gewisse Erwartungshaltung gegenüber ihren Vertretern, die sie ja mitbezahlen entwickeln. Wir wiederum können behaupten, alle Eintscheidungen seien in Absprache mit der Vertretern der Arbeiter getroffen worden.
Natürlich können diese Vertreter nichts bewirken, dem wir nicht zustimmen; sie sind völlig in unserer Hand. Das wird dazu führen, dass sie zuerst ausgeliefert und dann käuflich werden. Unsererseits wiederum können wir diesen Vertretern im Stillen ordentliche Prämien auszahlen,
wenn sie für Ruhe sorgen. 50 Mark im Monat zum Beispiel machen den Unterschied zwischen gewöhnlichem Arbeiter und bessergestellten Leuten wie z.B. mittleren Angestellten. Für die Vertreter der Arbeiterschaft wird das unwiderstehlich ein und für wird es nicht einmal ein Prozent dessen sein, was wir durch ständige Ausfälle verlieren.
Natürlich, meine Herren, ist meine Planung noch etwas grob; sie müsste noch verfeinert werden. So sollten wir z.B. durchaus erwägen,
noch etwas mehr Vertreter der Arbeiterschaft wählen zu lassen, die dann ihrerseits sich bekämpfen.
Auch sollten wir noch weitere Wege finden, der Arbeiterschaft das Gefühl zu geben, sie hätten etwas mitzubestimmen, denn eben jenes Gefühl ist meiner Meinung nach weitaus mächtiger und bedeutsamer als es uns bisher ersichtlich ist. Auch sollte das alles noch etwas organisiert werden.
Übrigens sollten auch wir selbst uns organisieren und z.B. einen Rat der Kohlengrubenbetreiber, einen Rat der Transporteursbetriebe, usw.
schaffen. Der Grund ist einfach: Wir können so jeweils als untergebene Weisungsabhängige erscheinen und auftreten und, besser noch, wir können alle Entscheidungen, die bei der Arbeiterschaft große Verärgerung hervorrrufen, diesen Räten zuschieben, so dass der Zorn sich nicht auf uns richtet sondern auf jene Räte.
So ungefähr sah die Geburtsstunde der modernen „demokratie“ aus. Moderne „demokratie“ ist nichts weiter als die über viele Jahrzehnte
optimierte Ausbeutung und Verarsche der Menschen.
Wer wirkliche demokratie will, der muss kapieren und umsetzen, dass zu Mitbestimmung immer auch erst mal Verstehen gehört. Eine wirkliche demokratie ist nichts, was man bequem auf dem Sofa TV guckend konsumieren kann.
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P.S. Ich bitte die seltsame Formatierung zu entschuldigen. Da spinnt wohl gerade etwas mit der software.